Moosburg Online: www.moosburg.org Stalag VII A
Stalag VII A: Zeitzeugen


Aleksandr Pawlowitsch Chomenko

Bericht eines sowjetischen Kriegsgefangenen aus Moosburg

KONTAKTE-KOHTAKTbI ist ein Verein, der sich um überlebende sowjetische Kriegsgefangen kümmert, die ja von der Zwangsarbeiterentschädigung explizit ausgenommen sind. Von vielen erhalten wir Berichte über ihre Gefangenschaft.

Ukraine, Gebiet Kiew

Chomenko Aleksandr Pawlowitsch

Erinnerungen von Chomenko, Aleksandr Pawlowitsch, geboren 1923 im Dorf Dowydky, Bezirk Narodskij, Gebiet Shitomir

Ich diente in der Roten Arbeiter- und Bauernarmee im 178. Ersatzartillerieregiment der 38. Armee. Das war die Südwestfront. Ab dem 16. April 1942 diente ich als Aufklärer. Parallel musste ich auch Minenwerfer und Panzerbrecher bedienen. Im Juni 1942 marschierten wir Richtung Kutansk und weiter nach Krasowo in Russland. Am 8. August 1942 geriet ich in die Belagerung und wurde schwer verletzt gefangen genommen.

Ich hielt mich in den Lagern in Talli, Kantemirowka und Wowtschansk auf. Am 30. Juli [eventuell Schreibfehler 30. August] wurde ich mit dem Zug zusammen mit einer großen Gruppe von Kriegsgefangenen nach Kremetschug (Stalag 346) abtransportiert. Am 13. September 1942 geriet ich ins Stalag VII A (Moosburg, Bayern). Dort wurden Arbeitskommandos zusammengestellt. Es wurden Lagernummern verteilt. Meine Nummer lautete VII A/12510. Ich kam ins Arbeitskommando zu BMW in München-Allach, unweit von München-Dachau. Am 12. Dezember 1942 wurde ich als Verdächtiger (antideutsche Propaganda unter den Kriegsgefangenen) ins Stammlager VII A überwiesen. Ich wurde in einer so genannten Sonderbaracke untergebracht. Hier verbrachte ich vier Tage. Ich sah mich nicht als schuldig. In dieser Zeit hatte ich vor, eine Flucht zu organisieren. Ende Januar 1943 wurde ich mit einer Gruppe Kriegsgefangener nach Dingolfing geschickt. Dort gab es eine Fabrik für landwirtschaftliche Geräte [Hans Glas GmbH]. Die Stadt war am Fluss Isar. Die Fabrik (oder ein Werk) hieß auch „Isar“. Zum Arbeitskommando gehörten 150-160 Personen. Es gab besondere Lebensbedingungen: in der Baracke gab es Pritschen, ein Tisch aus Holz, weiter – ein WC-Zimmer, noch weiter – ein Raum für Wächter und eine Küche. Die Baracke wurde mithilfe eines Gusseisenofens mit Briketten beheizt. Die Baracke war immer zu und wurde nur beim Verlassen für den Arbeitseinsatz und bei der Rückkehr von der Arbeit geöffnet. Bei der Arbeit trugen wir Arbeitskleidung. Die Oberkleidung wurde von den Menschen verteilt, die im Hof arbeiteten. Im Lager wurde ein seltsames Einschüchterungsverfahren praktiziert. In der Nacht kamen die Soldaten in die Baracke rein. Nach dem Befehl des Lagerleiters, eines Unteroffiziers, riefen sie: „Aufstehen! Antreten!“ Wir, noch halb im Schaf, wurde in der Mitte der Baracke getrieben. Der Unteroffizier verkündete laut die Lagerordnung. Ein Kriegsgefangener hat das übersetzt. Manchmal war ein Zivilist als Dolmetscher dabei. Er machte das aber nicht gut.

Ich habe Gleichgesinnte gefunden. Wir planten zusammen eine Flucht. Ich habe von der Fabrik eine Metallschere mitgenommen. Damit konnte man die Fenstervergitterung schneiden. Ungeachtet der Durchsuchungen schleusten wir die Schere in die Baracke. Ich habe die Schere in der Matratze versteckt. Das war am 4. April 1943, vor dem Wochenende. Zu der Gruppe gehörten: Wiktor Golubew aus dem Gebiet Tscherkassy, sein Landsmann Grigorjew, Nikolaj Tschernow aus dem Moskauer Gebiet und ich.

In der Baracke hatten wir Schuhe und Oberbekleidung. Wir versammelten uns gegen 11 Uhr abends. Wir schnitten ein Gitterglied 1/2:1/4 ab, gingen aus der Baracke und krochen unter dem Stacheldrahtszaun durch. Wir waren frei. Es war im Frühling. Das Feld war nass. Es war schwer, sich zu bewegen. Auf dem Weg sammelten wir etwas Kartoffeln und steckten sie in die Tasche. Den Tag verbrachten wir im Wald. Wir zündeten ein Feuer an und buken Kartoffeln. In der nächsten Nacht gingen wir weiter.

Auf dem Weg trafen wir eine kleine Hütte. Da gab es einen Keller. Im Keller entdeckten wir Schmalz und nahmen etwa 3 kg mit. Weiter drangen wir in eine andere Hütte ein. Drin gab es etwas Kartoffeln und Stroh. Hier blieben wir gerne den ganzen Tag. Jemand von uns sah in der Nähe drei Kinder mit einem Hund. Der Hund hatte vielleicht etwas bemerkt. Wir wurden aber nicht erwischt. Nach Einbruch der Dunkelheit gingen wir weiter, obwohl wir zeimlich erschöpft waren. In dieser Nacht erreichten wir einen Wald. Unserer Meinung nach sollte dahinter die Donau sein. Es gab angelegte Boote. Wir hatten vor, auf die östliche Donauseite zu gelangen. Der Fluss wurde mit kleinen Booten überwacht. Aus diesem Grund konnten wir den Plan nicht verwirklichen. In der Nähe gab es eine Eisenbahnlinie. Das Zuggeräusch war gut zu hören. Wir gingen zur Bahnstation und stiegen ein einen Güterzug ein. Hier haben wir den Fehler gemacht. Einer von uns schlug vor, sich an einen Hiesigen mit der Bitte um Brot zu wenden. Das klappte nicht. Am Morgen wurde eine Razzia organisiert. Wir wurden festgenommen.

Das Gefängnis von Straubing. Lager VII A Moosburg. Strafe – Einzelzelle für 21 Tage. Nach Beendigung der Strafzeit schickte man eine Gruppe von 50-60 Mann, hauptsächlich nach Fluchtversuchen, zum Flugplatz in München-Allach. Das passierte im Mai 1943. Im Arbeitskommando herrschte eine besonders brutale Ordnung. Es wurden sogar Erschießungen praktiziert. Einer von Gefangenen, Baranow, der Moskauer, versuchte, über das unterirdische Abwassersystem zu fliehen. Er fertigte dafür einen Schlüssel. Er wurde erwischt und erschossen.

Nach einem Jahr und zwei Monaten flüchtete ich erneut. Etwa um 1 Uhr Nacht hörten wir laute Schreie und Hundebellen. Manchmal kam das Geräusch ganz nah. Wir hatten aber alles richtig gemacht. Wir hatten Tabak dabei gehabt und hatten unsere Spuren zugeschüttet, vor allem am Anfang. Wir wurden nicht erwischt und nicht erschossen. Wir bewegten uns weiter nach Osten. Erneut durchquerten wir den Wald. Wieder Misserfolg. Wir wurden von einem Bürger entdeckt. Insgesamt waren wir diesmal 14 Tage auf freiem Fuß. Uns nahmen die Wächter eines französischen Arbeitskommandos der Kriegsgefangenen fest. Das passierte in der Nähe von Passau. Man transportierte uns ins Lager VII A in Moosburg. Die Strafe – 28 Tage Einzelzelle. Danach blieb ich bis Ende April 1944 in einer Sonderbaracke. Ich wurde zur Arbeit ins Arbeitskommando 29-49 bei der Eisenfabrik in München-Moosach. Nach Ankunft begann ich sofort, eine Flucht vorzubereiten. Mit Hilfe der Kameraden habe ich einen Kompass gefertigt (hier gab es eine solche Möglichkeit) und beschaffte mit Hilfe der Zivilisten eine Karte, allerdings mit kleinem Kartenmaßstab.

Am 21. Mai 1944 flüchtete ich mit Woropajew aus dem Gebiet Alma-Ata direkt von der Arbeit, am Tag. Bis zum Abend versteckten wir uns in einem Feld. Danach bewegten wir uns Richtung Freising. Das Verbleiben in dieser Gegend, mit dichtem Netz von Luftabwehrstellen, war ziemlich kompliziert und gefährlich. Wir schafften eine gewisse Strecke entlang einer Strasse und gelangten, wie es uns schien, zur Stellung einer Militäreinheit, ungefähr eines Zuges. Der Zug machte eine Nachtübung oder leistete Überwachungsdienst. Wir versteckten und sofort am Straßenrand. Dort lagen wir bis zu den Morgenstunden. Wir blieben praktisch von neben den Soldaten benachbart. Wir blieben aber unbemerkt. Am Morgen zogen wir uns in den Wald, dem Flugplatz München-Moosach benachbart, zurück und blieben dort bis zum Abend. Wir mussten über diese Ortschaft gehen. Wir haben keine andere Strasse gefunden. Dass war 9 Uhr abends. Es gab viele Zivilisten. Wir gingen bis zur Strasse und hatten schon fast den ganzen Weg durch diese kleine Ortschaft geschafft. Plötzlich wurden wir von Polizisten festgenommen. Man schickte uns wieder ins Lager VII A in Moosburg, die gleiche Strafe – 28 Tage Einzelzelle. Danach gab es die Arbeit im Strafarbeitskommando Nr. 190 des Lagers VII A. Der Einsatzort war ein Steinbruch in der Nähe von Einstedt [Eichstätt?], östlich von Ingolstadt, östlich der Donau (linkes Donauufer).

Die Menschen sagten, dass ich ein guter Schlosser war. Ich arbeitete in einer Werkstatt am Flugplatz. Die deutschen Zivilisten haben mich geehrt. Gerade dort wurde Baranow erwischt und von einem SS-Unter-Offizier erschossen. Es gab eine verstärkte Bewachung. Trotzdem hatte ich vor, zusammen mit Golubew und Nikolaj Tscherednitschenko aus der Stadt Wosressensk, ehemaligen Artilleriekommandeur, eine neue Flucht vorzubereiten. Der deutsche Meister, bei dem ich arbeitete, behandelte mich mit Respekt. Oft brachte er ein Stück Brot für mich mit. In der Halle des Flugplatzes wurde Zubehör für Flugzeuge von Typ Ju-88. Ich weiß nicht genau, wofür sie waren. Meine Aufgabe war es, ein zweiadriges Kabel im Flugzeugflügel zu verlegen. Einmal drang ich ins Cockpit ein (meiner Meinung nach war das Flugzeug wunderbar) und merkte, dass die Steuerung, soweit ich verstanden habe, mit Hilfe eines Kabels mit dem Boden des Flugzeuges zusammengebunden war. Auf dem Boden gab es eine mit Gummi geschützte Verbindungsstelle. Die Gummisicherung war offensichtlich für den Schutz gegen Fremdkörper gedacht. Ich bin auf eine Idee gekommen, eine Mutter in diese Verbindungsstelle hinter dem Gummischutz zu stecken. Beim Lenken der Steuerung sollte es zur Blockierung kommen. Die Flugzeuge wurden nach ein paar Tagen aus der Halle geholt. Die Flieger stiegen ein. Die Flugzeuge starteten. Ich beobachtete, wie ein Flugzeug gleich nach dem Start in Flammen geriet und abstürzte. Ich habe damals gemeint und meinte auch heute, dass es gerade dieses Flugzeug war. Sie können mithilfe des Nachrichtendienstes meine Beteilung an diesem Anschlag überprüfen.

Ich habe meinen Kameraden über den Anschlag nicht berichtet. Das wäre zu gefährlich gewesen. In einigen Tagen wollten wir wieder flüchten, am Arbeitstag während einer Mittagspause. Das klappte aber nicht, weil wir erfuhren, dass die Polizisten eine Schnellstrasse München-Wien blockiert hatten.

Im Arbeitskommando arbeiteten in der Regel 20-25 Personen, selten bis zu 30 Personen. Die Baracke stand neben Felsen, mit einem Metallnetz abgeschirmt. Die Ordnung war streng. Früher hatten hier unsere gefangenen Piloten gearbeitet. Es gab oft Erschießungen. Für einen Arbeitstag gab eine festgesetzte Norm: 18 Loren mit Stein (1 m3). Man musste den Stein mit einem Hammer zerkleinern, einladen, liefern und ausladen für die weitere Zerkleinerung. Im Falle einer Nichterfüllung der Norm bestrafte man uns mit Verkürzung der Essenration. Um der Arbeit zu entgehen, begingen Menschen mit Absicht Selbstverletzungen. Man steckte die Finger unter eine Lore oder verletzte die Finger mit dem Hammer.

Auch in diesem Arbeitkommando begann ich sofort nach der Ankunft, den Fluchtplan auszuarbeiten und Kameraden zu organisieren, die meine Gedanken teilten. In der Nacht von 17. bis 18. Juli 1944 gelangen wir mühsam über ein Toilettenfenster in einen Nebenraum, wo man Schuhe und Oberkleidung lagerte. Die Tür hatte innen einen Verschluss. Der Weg führte in den Hof. Ich ging als erster. Danach gingen noch fünf Personen, Nikolaj aus der Stadt Beresnjaki am Ural und andere. Zu dieser Zeit gab es gerade Wachablösung. Jemand bewegte aus Versehen einen Stein. Das war laut genug. Die Wächter eröffneten das Feuer. Ich wurde an der Schulter verletzt. Der Lagerleiter, ein Offizier wollte mich nicht erschießen. Er dachte, dass ich sowieso nicht überlebe. Neun Stunden später wurde ich, ohne Verband, mit starker Blutung, ins Stadtkrankenhaus in Einstedt überführt. Ich habe knapp überlebt und wurde wieder gesund. Danach wurde ich in die Abteilung für Kranken des Lagers VII A überwiesen, sog. „Revier“. Im November 1944 wurde ich ins Arbeitskommando Nr. 190 zurückgebracht. Die Arbeit im Steinbruch war für mich unerträglich. Ich verletzte mit dem Hammer absichtlich den Ringfinger der rechten Hand. Dafür wurde ich bestraft und zum Ausladen rekrutiert. Hier ging mir aber deutlich besser. Im Januar 1945 wurde ich nach dreimonatiger Strafe wieder ins Lager VII A, ins Arbeitskommando in Übersee überwiesen. Ich beschäftigte sich mit Ladearbeiten in einer Halle. Im März 1945 wurde ich zusammen mit 40-50 Personen zur Erdarbeit rekrutiert. Ich kann nicht genau sagen, was der Zweck dieser Arbeit war.

Am 19. April 1945 flüchtete ich während eines Luftangriffs der Alliierten zusammen mit Bojkow aus der Stadt Nishnij Woltschok bei Smolensk. Wir versteckten uns in einer Hütte unweit von Langhof bei München. Nach ein paar Tagen wurde diese Gegend von Amerikanern besetzt. Wir verließen unser Versteck. Nach der Versammlung der Repatriierten in München-Obermann wurde ich am 22. Juni 1945 mit einem anderen Transport ins von den sowjetischen Truppen besetzten Territorium gebracht. Das war eine Gegend in Ungarn, in der Nähe von Janoschhaca. Dort wurde ich im Feldmilitärkommissariat Nr. 307 geprüft. Danach gab es noch Militärdienst in der 25. Division der Roten Armee.

Aleksandr Pawlowitsch Chomenko

21. November 2006

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