Gesetz zur Befreiung
von Nationalsozialismus und Militarismus für die
amerikanische Zone
1.
Nationalsozialismus und Militarismus haben in
Deutschland zwölf Jahre die Gewaltherrschaft
ausgeübt, schwerste Verbrechen gegen das deutsche
Volk und die Welt begangen, Deutschland in Not und
Elend gestürzt und das Deutsche Reich
zerstört. Die Befreiung von Nationalsozialismus
und Militarismus ist eine unerläßliche
Vorbedingung für den politischen, wirtschaftlichen
und kulturellen Wiederaufbau.
2. Während
der vergangenen Monate, die der Kapitulation folgten,
hat die Amerikanische Militärregierung die
Entfernung und den Ausschluss von Nationalsozialisten
und Militaristen aus der Verwaltung und anderen Stellen
durchgeführt.
3. Der Kontrollrat
hat am 12. Januar 1946 für ganz Deutschland
Richtlinien für diese Entfernung und den
Ausschluss in der Anweisung Nr.24 aufgestellt, die
für die deutschen Regierungen und für das
deutsche Volk verbindlich sind.
4. Das Gesetz Nr.8
der Militärregierung einschließlich seiner
ersten Ausführungsverordnung hat die Befreiung auf
das Gebiet der gewerblichen Wirtschaft ausgedehnt und
das Vorstellungsverfahren durch deutsche
Prüfungsausschüsse
eingeführt.
5. Die
amerikanische Militärregierung hat nunmehr
entschieden, daß das deutsche Volk die
Verantwortung für die Befreiung von
Nationalsozialismus und Militarismus auf allen Gebieten
mit übernehmen kann. Der Erfüllung der damit
dem deutschen Volk übertragenen Aufgabe dient
dieses Gesetz, das sich im Rahmen der Anweisung Nr. 24
des Kontrollrates hält.
6. Zur
einheitlichen und gerechten Durchführung dieser
Aufgabe wird gleichzeitig für Bayern,
Großhessen und Württemberg-Baden das
folgende Gesetz beschlossen und
verkündet.
Artikel 1
1. Zur Befreiung
unseres Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus
und zur Sicherung dauernder Grundlagen eines deutschen
demokratischen Staatslebens im Frieden mit der Welt
werden alle, die die nationalsozialistische
Gewaltherrschaft aktiv unterstützt oder sich durch
Verstöße gegen die Grundsätze der
Gerechtigkeit und Menschlichkeit oder durch
eigensüchtige Ausnutzung der dadurch geschaffenen
Zustände verantwortlich gemacht haben, von der
Einflußnahme auf das öffentliche,
wirtschaftliche und kulturelle Leben ausgeschlossen und
zur Wiedergutmachung verpflichtet.
2. Wer
verantwortlich ist, wird zur Rechenschaft gezogen.
Zugleich wird jedem Gelegenheit zur Rechtfertigung
gegeben.
Artikel 2
1. Die Beurteilung
des Einzelnen erfolgt in gerechter Abwägung der
individuellen Verantwortlichkeit und der
tatsächlichen Gesamthaltung; danach wird in
wohlerwogener Abstufung das Maß der
Sühneleistung und der Ausschaltung aus der
Teilnahme am öffentlichen, wirtschaftlichen und
kulturellen Leben des Volkes bestimmt mit dem Ziel, den
Einfluß nationalsozialistischer und
militaristischer Haltung und Ideen auf die Dauer zu
beseitigen.
2.
Äußere Merkmale wie die Zugehörigkeit
zur NSDAP, einer ihrer Gliederungen oder einer
sonstigen Organisation sind nach diesem Gesetz für
sich allein nicht entscheidend für den Grad der
Verantwortlichkeit. Sie können zwar wichtige
Beweise für die Gesamthaltung sein, können
aber durch Gegenbeweise ganz oder teilweise
entkräftet werden. Umgekehrt ist die
Nichtzugehörigkeit für sich alleine nicht
entscheidend für den Ausschluß der
Verantwortlichkeit.
Artikel 3
(Meldeverfahren)
1. Zur
Aussonderung aller Verantwortlichen und zur
Durchführung des Gesetzes wird ein Meldeverfahren
eingerichtet.
2. Jeder Deutsche
über 18 Jahre hat einen Meldebogen
auszufüllen und einzureichen.
3. Die
näheren Bestimmungen trifft der Minister für
politische Befreiung.
Artikel 4 (Gruppen
der Verantwortlichen)
Zur gerechten
Beurteilung der Verantwortlichkeit und zur Heranziehung
zu Sühnemaßnahmen werden folgende Gruppen
gebildet:
1.
Hauptschuldige
2. Belastete (Aktivisten, Militaristen,
Nutznießer)
3. Minderbelastete (Bewährungsgruppe)
4. Mitläufer
5. Entlastete [...]
Entlastet ist: wer
trotz seiner formellen Mitgliedschaft oder Anwartschaft
oder eines anderen äußeren Umstandes sich
nicht nur passiv verhalten, sondern nach dem Maß
seiner Kräfte aktiv Widerstand gegen die
nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistet und
dadurch Nachteile erlitten hat.