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Internierungslager: Entnazifizierung


* Gesetzliche Grundlagen der Entnazifizierung

Ende 1949 waren insgesamt über 6,08 Millionen Menschen in Westdeutschland von Entnazifizierungsmaßnahmen betroffen. Die wichtigste Grundlage der Entnazifizierung war das am 5. März 1946 erlassene Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus für die amerikanische Zone, das ähnlich auch in den anderen Westzonen angewandt wurde (z.B. im Saarland):

Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus für die amerikanische Zone

1. Nationalsozialismus und Militarismus haben in Deutschland zwölf Jahre die Gewaltherrschaft ausgeübt, schwerste Verbrechen gegen das deutsche Volk und die Welt begangen, Deutschland in Not und Elend gestürzt und das Deutsche Reich zerstört. Die Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus ist eine unerläßliche Vorbedingung für den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbau.

2. Während der vergangenen Monate, die der Kapitulation folgten, hat die Amerikanische Militärregierung die Entfernung und den Ausschluss von Nationalsozialisten und Militaristen aus der Verwaltung und anderen Stellen durchgeführt.

3. Der Kontrollrat hat am 12. Januar 1946 für ganz Deutschland Richtlinien für diese Entfernung und den Ausschluss in der Anweisung Nr.24 aufgestellt, die für die deutschen Regierungen und für das deutsche Volk verbindlich sind.

4. Das Gesetz Nr.8 der Militärregierung einschließlich seiner ersten Ausführungsverordnung hat die Befreiung auf das Gebiet der gewerblichen Wirtschaft ausgedehnt und das Vorstellungsverfahren durch deutsche Prüfungsausschüsse eingeführt.

5. Die amerikanische Militärregierung hat nunmehr entschieden, daß das deutsche Volk die Verantwortung für die Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus auf allen Gebieten mit übernehmen kann. Der Erfüllung der damit dem deutschen Volk übertragenen Aufgabe dient dieses Gesetz, das sich im Rahmen der Anweisung Nr. 24 des Kontrollrates hält.

6. Zur einheitlichen und gerechten Durchführung dieser Aufgabe wird gleichzeitig für Bayern, Großhessen und Württemberg-Baden das folgende Gesetz beschlossen und verkündet.

Artikel 1

1. Zur Befreiung unseres Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus und zur Sicherung dauernder Grundlagen eines deutschen demokratischen Staatslebens im Frieden mit der Welt werden alle, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft aktiv unterstützt oder sich durch Verstöße gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit und Menschlichkeit oder durch eigensüchtige Ausnutzung der dadurch geschaffenen Zustände verantwortlich gemacht haben, von der Einflußnahme auf das öffentliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben ausgeschlossen und zur Wiedergutmachung verpflichtet.

2. Wer verantwortlich ist, wird zur Rechenschaft gezogen. Zugleich wird jedem Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben.

Artikel 2

1. Die Beurteilung des Einzelnen erfolgt in gerechter Abwägung der individuellen Verantwortlichkeit und der tatsächlichen Gesamthaltung; danach wird in wohlerwogener Abstufung das Maß der Sühneleistung und der Ausschaltung aus der Teilnahme am öffentlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben des Volkes bestimmt mit dem Ziel, den Einfluß nationalsozialistischer und militaristischer Haltung und Ideen auf die Dauer zu beseitigen.

2. Äußere Merkmale wie die Zugehörigkeit zur NSDAP, einer ihrer Gliederungen oder einer sonstigen Organisation sind nach diesem Gesetz für sich allein nicht entscheidend für den Grad der Verantwortlichkeit. Sie können zwar wichtige Beweise für die Gesamthaltung sein, können aber durch Gegenbeweise ganz oder teilweise entkräftet werden. Umgekehrt ist die Nichtzugehörigkeit für sich alleine nicht entscheidend für den Ausschluß der Verantwortlichkeit.

Artikel 3 (Meldeverfahren)

1. Zur Aussonderung aller Verantwortlichen und zur Durchführung des Gesetzes wird ein Meldeverfahren eingerichtet.

2. Jeder Deutsche über 18 Jahre hat einen Meldebogen auszufüllen und einzureichen.

3. Die näheren Bestimmungen trifft der Minister für politische Befreiung.

Artikel 4 (Gruppen der Verantwortlichen)

Zur gerechten Beurteilung der Verantwortlichkeit und zur Heranziehung zu Sühnemaßnahmen werden folgende Gruppen gebildet:

1. Hauptschuldige
2. Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer)
3. Minderbelastete (Bewährungsgruppe)
4. Mitläufer
5. Entlastete [...]

Entlastet ist: wer trotz seiner formellen Mitgliedschaft oder Anwartschaft oder eines anderen äußeren Umstandes sich nicht nur passiv verhalten, sondern nach dem Maß seiner Kräfte aktiv Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistet und dadurch Nachteile erlitten hat.

MeldebogenZur Durchführung des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 wurde ein Meldebogen erstellt, der außer den persönlichen Daten auch Fragen nach der Mitgliedschaft in NS-Organisationen erfaßt:

NSDAP, SS, Waffen-SS, Gestapo, Sicherheitsdienst (SD) der SS, Geheime Feldpolizei, SA, NS-Kraftfahr-Korps (NSKK), NS-Flieger-Korps (NSFK), NS-Frauenschaft (NSF), NS-Studentenbund (NSDSTB), NS-Dozentenbund (NSDoB), Hitlerjugend (HJ), Bund deutscher Mädel (BdM).

Außerdem wird nach Auszeichnungen, Begünstigungen und sonstigen Vorteilen durch die NSDAP, sowie nach Parteispenden gefragt (Bild vergrößern).


MeldebogenAuf der Rückseite des Meldebogens sind folgende Angaben zu machen:

Zugehörigkeit zu Wehrmacht, Reichsarbeitsdienst (RAD), Organisation Todt (OT), Transportgruppe Speer; Funktionen als NS-Führungsoffizier oder Generalstabsoffizier; Zugehörigkeit zu Wirtschafts- oder Wohlfahrtsorganisationen; berufliche Tätigkeit und Einkommen; Kontrolle über Unternehmen; Titel, Dienstränge; bestehende Prüfungsverfahren; Beschäftigungsgenehmigung durch die Militärregierung; Selbsteinstufung in die Gruppe der Verantwortlichen.

Der abgebildete Meldebogen stammt von dem Internierten Paul Schmidt und wurde am 25. August 1946 im Moosburger Internierungslager ausgefüllt (Bild vergrößern).

Bilder: © Dr. Peter Schmidt



Fragebogen Eine Ergänzung zum Meldebogen stellt ein Fragebogen dar, auf dem insgesamt 131 Fragen zur familiären, beruflichen und politischen Vergangenheit beantworten sind.

So wird z.B. gefragt nach Adelstiteln, nach der Religionsangehörigkeit, nach dem Verhältnis zur Kirche, nach genauen Gründen für einen Kirchenaustritt, nach sämtlichen Vergehen und Vorstrafen, nach der Schul- und Berufsausbildung, nach der Angehörigkeit in Burschenschaften, nach einer Funktion als Lehrer usw.

Die Angaben in den Melde- und Fragebögen waren entscheidend für eine mögliche Eröffnung eines Spruchkammerverfahrens oder eine Einlieferung in ein Internierungslager, sowie für Lebensmittelzuteilungen und eventuelle Berufsverbote (Bild vergrößern).

Bild: © Dokumentations-Archiv für jüdische Kultur und Geschichte Chaim Frank



* Quellen:


Bürgernetz Weihenstephan Moosburg Online Stalag VII A
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