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Internierungslager: Zeitzeugen


Paul Schmidt

Quelle:
Paul Schmidt: Erinnerungsbuch

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Peter Schmidt.

Dokumente über die Internierung

Die Bilder und Textdokumente auf dieser und den folgenden Seiten stammen aus einem Erinnerungsbuch des Internierten Paul Schmidt (1898-1971) aus Landau an der Isar. Sie wurden uns von seinem Sohn Dr. Peter Schmidt übermittelt.

Automatic Arrest Der aus Oberschlesien stammende Paul Schmidt floh 1945 aus russischer Gefangenschaft und folgte seiner Familie nach Bayern. Dort wurde er aufgrund eines ausgefüllten Fragebogens von der US-Armee festgenommen und vom 13. Juni 1945 bis zum 24. März 1948 im "Civilian Internment Camp No. 6" in Moosburg interniert. Der Grund für seine Verhaftung geht aus dem Formular hervor, das Schmidt seinen Angehörigen schickte: wie viele andere stand er unter "automatic arrest", der automatisch alle betraf, die Parteiämter innehatten (Bild vergrößern).

Schmidt notierte in seinem Erinnerungsbuch die erst später geschaffene gesetzliche Grundlage:

"Gesetz zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus"

erlassen am 5. März 1946 von der Militärregierung. Vater des Gesetzes: der amerik. Oberstleutnant Fritz Oppenheimer (Rechtsanwalt aus Berlin)

Gruppe 1 - Hauptbeschuldigte
Gruppe 2 - Belastete
Gruppe 3 - Minderbelastete
Gruppe 4 - Mitläufer
Gruppe 5 - Entlastete

Spruchkammern: mit Laien besetzt, mußten Antifaschisten sein.

Das Gesetz bürdete den Belasteten die Beweislast auf. Wer unter "automatischen Arrest" fiel wurde in ein Arbeits- oder Internierungslager eingeliefert. US-Zone: 11 Lager.

MeldebogenIm Lager mußte Paul Schmidt wiederholt die vom Gesetz vorgeschriebenen Meldebögen ausfüllen; das abgebildete Exemplar stammt vom 25. August 1946. Dort trug Schmidt seine Funktion in der NSDAP und die Mitgliedschaft in anderen Organisationen ein. Der Meldebogen war auch die Voraussetzung für Lebensmittelzuteilungen (Bild vergrößern).


MeldebogenAuf der Rückseite des Meldebogens machte Schmidt Angaben zum Wehrmachtssdienst, zur beruflichen Tätigkeit und zu seinem Einkommen. Auf die Frage "In welche Gruppe des Gesetzes gliedern Sie sich ein?" antwortete er: "Gruppe II; auf Grund der Entlastungsbeweise Gruppe III". Der amtliche Vermerk beharrt freilich auf der Einstufung II - Gruppe der Belasteten (Bild vergrößern).



Politischer Werdegang Zu seiner Verteidigung im kommenden Spruchkammerverfahren schrieb Paul Schmidt im Lager ausführlich seinen "politischen Werdegang" nieder. Er war seit 1925 Lehrer im oberschlesischen Walddorf und aktives SPD-Mitglied. Nach der Machtergreifung von 1933 drohte Schmidt, dessen Frau seit Jahren schwer krank war, wegen seiner politischen Tätigkeit die Entlassung aus dem Schuldienst. "Ende April 1933 legt mir Kreisleiter Domprowski nahe, in die NSDAP einzutreten. Nur so könne er für mich die Garantie übernehmen und mich vor dem Verlust meiner Stellung retten. Nach Rücksprache mit meiner Frau bringe ich ihr dieses Opfer".

In den folgenden Jahren versuchte sich Schmidt möglichst von Aktivitäten der Partei fernzuhalten. Wegen seiner Kritik wurde er als "politsch unzuverlässiger Lehrer" versetzt. (Bild vergrößern).



Politischer Werdegang Als der NSDAP-Ortsgruppenleiter von Föhrendorf 1942 zum Kriegsdienst einrücken mußte, wurde Paul Schmidt "gegen meine Willenserklärung beauftragt, seine Geschäfte als Stellvertreter zu führen". 1944 wurde er davon wieder entbunden.

Im Januar 1945 führte Schmidt eine Kompanie des Volkssturms an: "Ich schicke auf meine eigene Verantwortung meine nichtausgebildeten mangelhaft bewaffneten Männer, die Väter meiner Schüler, nach Hause, um unnützes Blutvergiessen zu vermeiden." Er selbst entkam mit drei Freiwilligen nur knapp der anrückenden Roten Armee. (Bild vergrößern).



Eidesstattliche Erklärung Am 2. September 1947 bestätigte und ergänzte eine Bekannte von Paul Schmidt in einer eidesstattlichen Erklärung seine Angaben: "Die Geschäfte, die er als Ortsgruppenleiter erfüllen musste, führte er so aus, ohne dabei das Volk zu terrorisieren". Maria G. betonte seine Beliebtheit bei den Schulkindern, seine Toleranz gegenüber der Kirche, seine Hilfe für die Polen und seinen Gerechtigkeitssinn: "Alles in allem: nach meiner Meinung unterliegt Herr Hauptlehrer Paul Schmidt nicht dem Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus". (Bild vergrößern).



Rechtsanwaltsschreiben Ein Moosburger Rechtsanwalt vertrat Paul Schmidt mit seinem Schreiben vom 23. Oktober 1947 vor der Spruchkammer. Er verteidigte ihn gegen Vorwürfe, die sich aus seinen Funktionen als stellvertretender Ortsgruppenleiter und Unterabschnittsleiter des NS-Lehrerbundes ergeben konnten. Als Belege führte er die entlastenden Aussagen Schmidts und seiner Bekannten an (Bild vergrößern).



Rechtsanwaltsschreiben Der Anwalt sah es durch die Erklärungen als erwiesen an, daß Schmidt "weder als Aktivist noch als überzeugter Nationalsozialist betrachtet werden kann" und beantragte seine Einstufung "lediglich als Mitläufer". (Bild vergrößern).



Erst am 24. Februar 1948 erging nach Paul Schmidts Abschrift folgender Spruch der Lagerspruchkammer Moosburg-Dachau:

Spruch - Auszug

  1. Der Betroffene (Schmidt Paul, Hauptlehrer, 7.8.98 geboren in Neustadt O/S, wohnhaft in Landau/Isar, seit 13.6.1945 interniert) wird in die Gruppe der Minderbelasteten eingereiht
  2. Es wird ihm eine Bewährungsfrist von 1/2 Jahr eingeräumt.
Begründung:

Aus einem überzeugten Anhänger der SPD zu einem Angehörigen der NSDAP zu werden, wie es bei dem Betroffenen zu werden, ist zwar ein rätselhafter Vorgang. Die Lösung dieses Rätsels liegt nach seiner Angabe in der wirtschaftlichen Notlage, vor der er sich infolge des Siechtums seiner Frau gestellt sah. Ihr zuliebe hat er den zunächst äußerlichen Gesinnungswechsel mit seinem Beitritt zur NSDAP im Jahre 1933 vollzogen.

Der innerliche Gesinnungswechsel hielt freilich damit bei ihm noch nocht Schritt denn er hielt sich zunächst noch fern von der Annahme irgendwelcher Parteiämter. Erst 1942 und 1943 ließ er sich zu solchen herbei indem er zum einen bei dem NSLB Unterabschnittsleiter und zum anderen Ortsgruppenleiter wurde.

In der ersteren Stellung hatte er noch keine Gelegenheit zur Bekennung des Vollzuges eines inneren Gesinnungswechsels, denn das Amt war so gut wie verwaist. (Bestand: 3 männl. und 4 weibl. Mitglieder) Bekanntgabe beruflicher Verfügungen und Anordnungen bildeten die Tätigkeit seines Trägers.

Hinsichtlich seiner letzten Stelle als Ortsgruppenleiterließ er einen inneren Gesinnungswechsel nicht erkennen, denn er galt bei der Bevölkerung noch als der "Rote". Seine Wirkung als solcher brachte ihm sogar ein Rede- und Schreibverbot ein und im Juni 1944 die schließliche Amtsenthebung.

Die Kammer stufte ihn mit Rücksicht darauf unter Anwendung von Art 11 III 2 ind die Gruppe der Minderbelasteten.

Streitwert 5500 RM


EntlassungsscheinMit der Einstufung Schmidts als "Minderbelasteter" wurde die Internierung seit 1945 nachträglich gutgeheißen. Am 24. März 1948 wurde Paul Schmidt schließlich aus dem Moosburger Lager "zur freiwilligen Rückkehr in die Heimatgemeide" Landau entlassen. (Bild vergrößern).

In einem weiteren Verfahren am 8. Juni 1948 stufte die Hauptkammer München Paul Schmidt nur noch in die "Gruppe IV - Mitläufer" ein. 1949 wurde er schließlich ganz freigesprochen - die beinahe dreijährige Internierung in Moosburg war somit nicht gerechtfertigt.

Nach der Entlassung war Schmidt zunächst als Vetreter für Petroleumlampen tätig und trat 1950 wieder in den Schuldienst ein, den er bis zum 70. Lebensjahr ausübte. Er starb wenige Jahre nach seiner Pensionierung.



* Quellen:

  • Paul Schmidt: Erinnerungsbuch
  • E-Mails und CDs mit Bildern von Dr. Peter Schmidt, Haltern, an Moosburg Online, März-April 2002.

    Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Peter Schmidt.

    Bearbeitet von Werner Schwarz.

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