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Internierungslager: Zeitzeugen


Paul Schmidt

Quelle:
Paul Schmidt: Erinnerungsbuch

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Peter Schmidt.

Kontakt zur Außenwelt

Zettel Einige Zeit nach der Internierung von Paul Schmidt am 13. Juni 1945 gelang es seiner 18jährigen Tochter, ihm einen Zettel zukommen zu lassen, der ihn von der Geburt seines Sohnes Peter unterrichtete:

Mein lieber Vati!

Ich befinde mich seit 3 Tagen in der Nähe des Lagers. Am 19.4.[1945] ist Peterle angekommen. Er wächst und ist gesund. Uns allen geht es nicht schlecht und wir warten auf Dich.

Deine Tochter Ursula.


Paul Schmidt notiert an anderer Stelle seines Erinnerungsbuchs, daß er Peter erst am 19. Oktober 1946, als er zum ersten Mal im Lager besucht werden durfte, zu Gesicht bekam (Bild vergrößern).



Briefumschlag Der wichtigste Form des Kontakts zur Außenwelt war die Post, die Internierte schicken und empfangen konnten. Ein Briefumschlag von 1947 an "Herrn Paul Schmidt, #5509, Intern. Lager, 13b Moosburg Obb., Bar. 46" zeigt außer dem normalen Stempel der Bahnpost Rosenheim-Plattling auch den Zensurstempel. Wie im Kriegsgefangenenlager wurde auch im Internierungslager die Post der Inhaftierten zensiert. Die Baracke 46 lag am südlichen Rand des Geländes (Lagerplan) (Bild vergrößern).



Weihnachten 1946 Paul Schmidt verschickte eine Reihe kunstvoll gestalteter Wehnachts- und Osterkarten aus dem Lager. Der Linolschnitt mit den brennenden Kerzen vor Stacheldraht und den Moosburger Kirchtürmen trägt folgende Aufschrift

Moosburger Lagerweihnacht 1946 - L.Schnitt von Moritz

[...]

Moosburg, Weihnacht 1946
Euer Vati


(Bild vergrößern).



Weihnachten 1946 Zur Weihnachtskarte gehört ein kalligraphisch gestaltetes Gedicht:

Sind auch heute unsre Herzen
noch getrennt durch Zeit und Raum,
einmal leuchten wieder Kerzen
auch auf unserm Weihnachtsbaum.

Fest woll'n wir auf den vertrauen
dem nichts aus den Händen fällt.
Weib, für unsern Jungen bauen
auf wir eine schönre Welt.

Paul Schmidt No. 5509
Moosburg, Weihnacht 1946


(Bild vergrößern).



Ostern 1947 Stacheldraht und Moosburger Kirchen finden sich auch auf dem Blatt zu Ostern 1947:

Jeder Karfreitag hat auch sein Osterfest!

Frohe Ostergrüße aus Moosburg 1947

Paul Schmidt # 5509


(Bild vergrößern).



Paul Schmidt schrieb jedoch nicht nur an seine Familie, sondern auch an ihm unbekannte Personen, z.B. an den Schriftsteller Ernst Wiechert. In einem Brief an die Redaktion der "Neuen Zeitung" in München, die im Lager anscheinend verfügbar war, schilderte Schmidt am 13. November 1946 seine Situation:

Ich bin # 5509 des Civ. Int. Lagers Moosburg. Seit über 18 Monaten. Das sind bald 600 Tage und ebensoviele Nächte. Und die Nächte zählen doppelt. Der Tag gehört dem Bauch und mit dem bin ich fertig geworden. Schwer war dies die ersten Monate. Wir glaubten im Ernst, die Amerikaner hätten die Absicht, uns verrecken zu lassen. Dann ist es besser geworden. Nun sind die Nächte schwerer, länger. Sie gehören anderen Bereichen.

Ich schlafe im Mittelstück des dreibettigen Gestells. Wenn ich meine Knie anziehe, berühre ich beinahe die Holzbretter, auf denen der Kamerad über mir schläft, nie wirklich schlafen kann.

Wenn ich die Augen öffne, kann ich auf dem Brett über mir die Bleistiftzeichnung einer Mannesgestalt erkennen: Baskenmütze, dunkle Augen, kurzer schwarzer Schnurrbart, typischer Franzose und darunter der Name "Alphonse Balesse".

Wo mag Alphonse Balesse jetzt sein? Ob er sich nachts auf seiner Pritsche auch so viel wälzen mußte. Vielleicht ist er Pariser. Dort hat auch einer in seiner "Matratzengruft" die Augen so wenig schließen können. Den sah ich, als ich den Bleistift nahm und neben Monsieur Alphonse Balesse die Worte hinkritzelte:

"Ich liege schlaflos manche Nacht
und denk an Heinrich Heine,
der schrieb, daß, wenn er Deutschlands gedacht
dann schlaflos lieg und weine."

[...]

Ich denke an die englische Legende: "Wind und Sonne versuchen um die Wette, einem Mann, der auf dem Felde arbeitet, die Jacke auszuziehen. Der Wind bläst und zerrt was er kann an der Jacke. Aber der Mann hüllt sich nur fester in sie ein. Dann kommt die Sonne mit ihrer wohligen Wärme und nach einer Weile zieht der Mann die Jacke ganz von selbst aus."

Ich weiß was dazu gesagt werden kann. Aber schließlich ist ja Hitler auch daran gescheitert, weil er nicht "Sonne" war.

Leutnant F., der 1945 einer unserer amerikanischen Wachkompanien angehörte, liebte es "Sturm" zu sein. Wenn er z.B. abends in der Dunkelheit mit einem Krückstock auf den Kameraden Sch., Major der Luftwaffe, Ritterkreuzträger, [...] auf der Lagerstraße einschlug (Motiv: bis heute unbekannt, wahrscheinlich: Hate Germany!)

Wie man sich da einhüllt, zusammentrotzt. Und wie all der innere Widerstand dahinschmilzt, wenn einem dagegen folgendes geschieht:

War da mit 3 anderen internierten Kameraden dabei, aus dem Flugplatz Schleißheim eiserne Rollplatten auf einen LKW zu laden. Es war naß und kalt und meine Kameraden hatten dicke Fausthandschuhe an, meine Hände waren bloß und klamm. Kommt da der 19jährige Posten [...] auf mich zu und reicht mir für die Dauer der Arbeit mit den Worten: "Take my gloves!" seine Handschuhe. Ob er es verstanden hätte, wenn ich ihm un den Hals gefallen wäre?

[...]

Die ersten 7 Monate meiner Internierung habe ich mit meinem Schicksal gehadert - bis Weihnachten 1945. Da dachte ich endlich sprechen, für mich sprechen zu dürfen, gefragt zu werden, erzählen zu dürfen, entlassen zu werden - draußen wartete in bitterster Not meine aus Oberschlesien geflüchtete Familie - als ich zum Unterschreiben meines ausgefüllten Fragebogens zum CIC bestellt wurde als einer von 7000. Ich hatte nur 2x "Ja" zu sagen. Und weil ich die Gunst des Augenblickes nicht unbenutzt sein lassen wollte und ausholte um mehr zu sagen, zu erzählen, hörte ich auch schon die geschäftskühlen Worte: " Danach habe ich Sie garnicht gefragt. Raus!"

Seitdem habe ich mich in mein Schicksal gefügt [...]



* Quellen:

  • Paul Schmidt: Erinnerungsbuch
  • E-Mails und CDs mit Bildern von Dr. Peter Schmidt, Haltern, an Moosburg Online, März-April 2002.

    Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Peter Schmidt.

    Bearbeitet von Werner Schwarz.

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