Stalag VII A: Zeitzeugen |
Richard Fitzmaurice
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Ein amerikanischer Kriegsgefangener erinnert sichDer Leidensweg von Sagan nach MoosburgSanta Cruz/Moosburg - Richard Fitzmaurice, im Zweiten Weltkrieg Flieger bei der US-Air-Force, war über Deutschland abgeschossen worden und kam in Kriegsgefangenschaft. Zusammen mit über 2000 anderen Offizieren war er im Kriegsgefangenenlager Sagan an der Oder (Niederschlesien) interniert. Als im Dezember 1944 die russischen Armeen Schlesien erreichten, wurden die alliierten Gefangenen in Richtung Westen in Marsch gesetzt.Richard Fitzmaurice, der heute in Santa Cruz in Kalifornien lebt, beschreibt den Leidensweg der Kriegsgefangenen von Sagan bis in das Moosburger Auffanglager STALAG VII A, wo er am 29. April 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde. Hier sein bewegender Bericht: "Im Dezember 1944 wurden die amerikanischen Kriegsgefangenen des Lagers STALAG Luft III in Sagan an der Oder in Niederschlesien ebenso wie ihre englischen Leidensgenossen in Richtung Westen in Marsch gesetzt, um zu verhindern, daß sie von den schnell anrückenden russischen Truppen befreit wurden. So marschierte ich mit circa 2000 anderen Gefangenen mehrere Tage lang durch die verschneite, trostlose Landschaft Schlesiens. Mit uns Richtung Westen bewegten sich Tausende von Flüchtlingen, meist Frauen und Kinder, mit ihren übervollen Pferdekarren. In der Gegenrichtung, auf die russischen Truppen zu, sah man Panzerwagen mit jungen deutschen Soldaten in weißen Tarnuniformen. Sie trugen Gewehre und Maschinengewehre und liefen meist neben den Panzern her, im Schnee verschwindend, und ich fühlte die traurige Gewißheit, daß sie in den Tod gingen. Der Feldwebel, der für unsere Versorgung zuständig war, trug eine Augenklappe und ein Holzbein, Auge und Bein hatte er an der russischen Front verloren. Seine Familie war in Frankfurt durch amerikanische Bomben ums Leben gekommen. Dieser Mann, den wir "Popeye" nannten, war in meinen Augen ein "guter" Soldat - obwohl er besonderen Grund hatte, Amerikanern feindselig gegenü.berzustehen, rettete er in diesen Tagen 2000 Kriegsgefangenen das Leben. Für die erste Nacht fand er eine Kirche, wo wir alle zusammengedrängt schliefen, für eine der folgenden eine Ziegelbrennerei, wo wir uns um die Öfen drängten. Trotzdem starben einige von uns, bevor wir Dresden erreichten. In Erinnerung an den Invaliden "Popeye", der in dem allgemeinen Chaos der deutschen Verwaltung sein Möglichstes tat, kommen mir heute noch die Tränen. In Dresden wurden wir zu jeweils 80 Mann auf Viehwägen verladen und auf eine für viele tödliche, eiskalte Reise nach München geschickt. Wir erreichten München am frühen Morgen. Die Stadt war menschenleer und es schien kein Haus mehr zu stehen, als wir durch den Schutt Richtung Freising getrieben wurden. Wir durchquerten Freising und erreichten ein Barackenlager in Moosburg. Ich war dem Tod nahe - tagelang waren wir dicht gedrängt in Baracken gepfercht und ich litt an einer schweren Ruhr. Hätte mich nicht ein Mitgefangener allmittäglich zur Essensausgabe getragen, wäre ich wohl gestorben (und ich wäre in diesen Tagen gern gestorben). Nach einigen Wochen wurden wir von dem "Vorlager" in ein Barackenlager mit Stockbetten verlegt, 300 Mann je Baracke. Das Wesen des Krieges hatte sich geändert, unsere Bewacher wußten - wie wohl auch der Großteil der Bevölkerung - daß die Deutschen den Krieg verlieren würden. Und mit dem Fortschreiten des Frühlings, wurde Ende April die Bewachung gelockert. Wir durften uns im Lager frei bewegen und konnten die Gefangenen anderer Länder, die Russen, die Engländer, die Polen und andere mehr besuchen. Schließlich wurde die Umzäunung eingerissen und wir konnten im Umland spazierengehen. Wenige Tage später waren eines Morgens alle Wachen spurlos verschwunden und dröhnend und unter Freudengeschrei fuhr eine Panzerkolonne durch das Lagertor. Es war General Patton, der auf dem ersten Panzer stand - ich erinnere mich noch an seinen elfenbeinbeschlagenen Revolver - und der in den Jubel der Lagerinsassen einfiel. Ich glaube, ich kann sagen, daß die Deutschen sich in den elf Monaten meiner Gefangenschaft Mühe gegeben haben, uns gut zu versorgen, "german brot" und Graupensuppe esse ich heute noch gerne. In der Zeit meiner Gefangenschaft bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß weder die jungen Amerikaner noch die jungen Deutschen, die in diesem Krieg starben, schuld an seinem Ausbruch trugen. Ob wir uns je klar darüber wurden, daß es immer die alten Männer sind, die Kriege anzetteln, und immer die jungen, die deshalb sterben müssen? Damals habe ich Freising sofort wieder vergessen. Aber 1993 war ich hier zu Besuch - und die Stadt hat mir gut gefallen."
Quellen:
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