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Stalag VII A: Geschichte 1939-1945

 

Anfang  Anfänge des Kriegsgefangenen-Lagers Stalag VII A:

Nach Angaben von Oberst Nepf

Am 22.9.1939 besichtigten Oberst Nepf, die Oberstabsärzte Dr. Fürst und Dr. Schätz im Auftrage des stellv. Generalkommandos VII A.K. das zur Errichtung des Stalag (Stammlager) VII A vorgesehene Gelände nördlich der Stadt.

Die Herren waren weder von der üblen Bodenbeschaffenheit noch von der Lage angetan. Isarabwärts eine sumpfige Auenlandschaft, stadteinwärts eine Kunstdüngerfabrik und eine Molkerei, ein Wohnhaus und einige Schuppen. Landschaftlich und hygienisch war die Platzwahl zur Errichtung eines Lagers kaum zu befürworten.

Doch alle Bedenken halfen nichts. Man versteifte sich in München aus triftigen anderen Gründen auf dieses Gelände. »In 14 Tagen hat hier ein Lager zu stehen, ein Lager für 10.000 Kriegsgefangene«, lautete der Befehl.

Mitglieder des Reichsarbeitsdienstes, unter Führung von Oberfeldmeister Klopfer, begannen mit dem Aufbau. Sie bauten in der Halle der Kunstdüngerfabrik, nach Angaben von Oberstabsarzt Dr. Schätz, eine behelfsmäßige Entlausungsanstalt.

Diese befehlsmäßige Entlausungsanstalt des Stalag VII A wurde am 14. Februar 1940 bei der Tagung der Lagerärzte in Berlin als eine Art Schaustück bezeichnet, wenngleich sie den Erwartungen des Lagerkommandanten und des Lazarettarztes keineswegs entsprach.

Als nächste Maßnahme wurden 25 Zelte für die Gefangenen errichtet.

Die ersten Gefangenen kamen am 19. Oktober gegen 18 Uhr und zwar ca. 200 Polen und 900 Ukrainer. Da es zufällig wieder einmal regnete und zwar in Strömen, wurden sie noch in der Nacht am und im Zug verpflegt.

Am 20. Oktober begann die erste Entlausung. In 15 Stunden wurden 1100 Ukrainer und Polen entlaust. Vom Himmel schüttete es in Strömen. Nur 500 Gefangene konnten in der gedeckten Fabrikhalle untergebracht werden. Die anderen 600 standen, nachdem der entleerte Zug abgefahren war, im Freien und mußten sich so gut es ging vor dem Regen schützen. Später quartierte man die neu ankommenden Polen in sogenannten »unreinen Zelten« ein.

Allmählich kam Ordnung in das Lager. So konnten Baracken bezogen, bzw. zwei, wenn auch zu kleine, Krankenreviere genutzt werden. Auch eine neue Entlausungsstation konnte schon am 14. März ihren Betrieb aufnehmen.

Die Lagerleitung hatte viele Sorgen. Ursprünglich war das Lager für rund 10.000 Menschen gedacht. Dies erforderte deutsches Personal mit einer Ist-Stärke von 107 Offizieren, Beamten und Mannschaften. Nach den Niederlagen der Westalliierten in Flandern und Frankreich wuchs die Gefangenenzahl fast lawinenartig an. Zeitweise waren Nacht für Nacht 1000 bis 2500 neue Kriegsgefangene in Empfang zu nehmen. Der Zustrom riß nicht ab, obwohl bereits über 98.000 Mann die Baracken und die Zeltstadt passiert hatten.

»Im Juli und August 1940 durchwogte ein buntes Gemisch von Völkern das Lager: Weiße, gelbe, braune und schwarze Franzosen, blonde Flamen und Elsässer, Marokkaner, Algerier, Tunesier, Ägypter, Araber und Juden, Neger von der Gold- und Elfenbeinküste, Senegalesen und Sudanneger, Madagassen, Indochinesen, Malayen, Insulaner von der Martinique, Guadelupe und Haiti, Fremdenlegionäre, Angehöriger sonstiger Fremdenregimenter, polnische Legionäre, Bretonen und Normannen, Korsen und Basken, Italiener und Rotspanier in französischen Diensten, Ukrainer und Russen, Rumänen, Bulgaren und Jugoslawen, Kroaten, Slowenen und Serben, Holländer und Belgier, Armenier, Portugiesen und Ungarn, Griechen und Türken, Estländer, Litauer und Letten, Kubaner, Schweden und Norweger. Gefangene aus 72 Nationen bevölkerten 40 Baracken und viele Zelte. Darunter waren 2000 Ärzte und Sanitäter, sowie 170 Geistliche in Uniform«. (Nach Oberst Nepf)

Trotz geringer Verpflegungsbestände konnten die Gefangenen ordnungsgemäß versorgt werden. So waren täglich

8.000 kg Brot
2.000 kg Fleisch
30.000 kg Kartoffeln
300 kg Salz und Zucker
4.600 kg Sonstiges z.B. Suppeneinlagen, Kraut und andere Gemüse,

insgesamt also etwa 45.000 kg (= 900 Ztr.) erforderlich.

Das Hauptlager beanspruchte eine Gesamtfläche von ca. 350.000 qm. Von diesem Hauptlager war das Vorlager abgetrennt. Dort fand die Aufnahme der Gefangenen statt. Sie wurden hier untersucht, karteimäßig erfaßt und erhielten eine Erkennungsmarke. Darauf erfolgte sofort die Entlausung. Erst dann wurden die Gefangenen in den Baracken des Lagers untergebracht. Für Kranke waren drei Lagerreviere vorhanden, die täglich von 300 bis 600 Gefangenen aufgesucht wurden. Vier französische und zwei polnische Ärzte, dazu 10 französische und sechs polnische Sanitätsdienstgrade sowie 50 französische und polnische Helfer, die zum großen Teil die deutsche Sprache beherrschten, sorgten unter Aufsicht der deutschen Ärzte für eine reibungs- lose ärztliche Betreuung. Lazarettbedürftige Gefangene wurden nach Möglichkeit vom Lagerarzt und seinen drei Ärzten nachuntersucht. Die Diagnosen der ausländischen Ärzte waren im allgemeinen richtig. Die französischen Ärzte unterstanden der Aufsicht des Franzosen Dr. Noreau. Der deutsche Zahnarzt wurde von einem französischen Kollegen namens Dr. Casanova unterstützt.

Hauptsorge war am Anfang der trostlose Bekleidungszustand der Ankömmlinge. Durch die Errichtung von Handwerkerstuben im Lager, wurde eine wesentliche Besserung der Situation erreicht. In der Schneiderei arbeiteten 62 Franzosen und 37 Polen. In der Schuhmacherei waren 239 Franzosen und 76 Polen tätig. Als mit Beginn des Herbstes bei eintretendem Regenwetter in der Schuhmacherei auch am Sonntag gearbeitet werden mußte, wurden an einem einzigen Sonntag über 700 Paar Schuhe ausgebessert. Handwerksstuben waren außerdem bei größeren Arbeitskommandos eingerichtet. Ebenso bestand im Lager auch eine Schreinerei, eine Stellmacherei, Glaserei, Schlosserei, eine Schmiede, Lackiererei, eine Uhrmacherwerkstätte, eine mechanische Werkstätte für Elektrotechnik und eine für Fahrräder.

Für alle Notwendigkeiten war somit gesorgt. Die rasche Verteilung der gewonnenen Arbeitskräfte im weiten Lande war eine äußerst schwierige, aber bedeutungsvolle Aufgabe.

Rund 2.000 Arbeitskommandos unterschiedlicher Größe, waren im Bereich des Wehrkreises VII (ohne Schwaben) eingesetzt. Zur Bewachung standen dem Lagerkommando zwei Bataillone zur Verfügung. Die Entlohnung der Gefangenen erfolgte durch eine besondere Zahlmeisterei in Lagergeld. Unternehmer, die Kriegsgefangene beschäftigten, hatten mit der Zahlmeisterei auf Grund der vom OKW erlassenen Einsatzbestimmungen abzurechnen. An die eingesetzten Gefangenen wurden im Monat etwa 900.000 bis 1.000.000 RM an Löhnen ausbezahlt.

Das Lagergeld durfte von zugelassenen Geschäften am Arbeitsort angenommen werden. Im Stadtgebiet Moosburg handelte es sich um neun Geschäfte, die das Lagergeld mit der Zahlmeisterei abzurechnen hatten. Im Dezember 1940 wurde z.B. von den zugelassenen Geschäften 540.000 RM Lagergeld gewechselt.

Der Briefverkehr der Gefangenen sowie ihre Paketpost unterlagen der Postüberwachung. Fünfzig deutsche Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften waren für die Überprüfung der ankommenden und abgehenden Gefangenenpost eingesetzt. Sie wurden von einhundertachtzig französischen und polnischen Helfern unterstützt.

Die Dolmetscher hatten viel Arbeit, da einerseits in einer einzigen Woche etwa 140.000 Briefe einliefen und andererseits ca. 70.000 Briefe von den Gefangenen an ihre Angehörigen versandt wurden. Alle Briefe mußten überprüft werden.

Die Anzahl der Pakete lag bei ca. 15.000 Stück pro Woche. Einen wahren Rekord erreichten die Weihnachtspakete 1940. In der Zeit vom 10. bis 19. Dezember trafen 26 Waggons mit zusammen 150.000 Paketen (Privat) sowie 12 Waggons mit Liebesgabenpaketen ein.


Anfang  Entwicklung des Kriegsgefangenen-Lagers Stalag VII A:

Nach einem Bericht von Oberst Burger

Während des Krieges herrschte größter Mangel an landwitschaftlichen Arbeiter. Als Ersatzkräfte wurden die Kriegsgefangenen zur Landarbeit herangezogen. Sie waren häufig die einzigen männliche Wesen im Hause und damit die Hüter des Hofes. Die Behandlung des Kriegsgefangenen unterschied sich selten von der eines Angehörigen der eigenen Familie. Ähnlich waren die Verhältnisse in den kleinen Handwerksbetrieben. Wenn der Gefangene nicht gar den zur Wehrmacht eingezogenen Meister ersetzen mußte, war er erster Geselle. Die meisten Gefangenen waren auf die Erhaltung des Geschäftes bedacht und darum ebenso gewissenhaft wie im eigenen Betrieb.

Die Unterkunft der Gefangenen lag im gleichen Ort, vielfach in Gastwirtschaften. Nicht jeder hatte das Glück, einen ihm zusagenden Arbeitsplatz zu finden. Es gab auch schwere, bzw. unbeliebte Kommandos.

Täglich liefen bei der Lagerleitung beglaubigte Mitteilungen aus allen Schichten der Bevölkerung ein, die in Dankbarkeit von dem menschenfreundlichen Verhalten der Gefangenen gegenüber der deutschen Bevölkerung berichteten (z.B. Rettung von Menschenleben, Hilfe bei Luftangriffen, Fertigung von Weihnachtsgeschenken für 5.000 Kinder fliegergeschädigter Eltern in München, usw.).

Das Stammlager blieb, wenigstens offiziell, vor unmittelbarer Einflußnahme durch Parteiorgane verschont.

Anders sah es bei den zahlreichen Außenkommandos aus. Hier spielte sich das Leben der Kriegsgefangenen mitten in der Öffentlichkeit ab. Die Gefangenen waren eng verflochten ins Getriebe der Wirtschaft und standen somit im ständigen Blickfeld der Partei, ohne daß diese jedoch irgendeinen Einfluß auf die Behandlung der Gefangenen erreichte. Strafkommandos gab es Oberhaupt nicht. Bei Sonderkommandos handelte es sich nur um normale Arbeitskommandos, die mit Gefangenen belegt wurden, welche beispielsweise wegen wiederholter Fluchtversuche (mindestens drei) oder anderer Delikte einer strengen Bewachung bedurften.

Die in Sonderkommandos untergebrachten Gefangenen mußten auch während der Arbeit bewacht werden. Im übrigen entsprachen die Lagerbedingungen, Behandlung, Post- und Liebesgabenbetreuung, jenen der Arbeitskommandos. Sie waren selbstredend den internationalen Kommissionen bekannt und wurden von diesen überprüft.

Mit Sorge sah die Lagerleitung die Entstehung eines »schwarzen Marktes« unter den Gefangenen. Durch die unregelmäßige Verteilung der vom Internationalen Roten Kreuz in Genf gesandten Pakete sollte erreicht werden, daß diese Schenkungen nur an bedürftige Kriegsgefangene zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse gegeben würden. Die Lagerinsassen erhielten im allgemeinen mehr als zum Beispiel die Gefangenen, die in der Landwirtschaft tätig waren. Kranke bekamen z.B. gesonderte Zulagen. Wenn nun Kriegsgefangene Liebesgaben verschacherten, so entzogen sie diese der allgemeinen Verteilung und schädigten hierdurch ihren eigenen bedürftigen Kameraden.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Tausch oder Handel gegen bewirtschaftete Lebensmittel, wie vor allem Brot und Fleisch, gegen Bekleidungsstücke oder Barzahlung. Geboten wurden zum Beispiel für 1-3 Brote 5 später 10 Mark in bar. Für die Büchse Ness-Kaffee wurden 60-80 Mark, später 100 Mark und mehr bezahlt.

Nachdem die eingerissenen Mißstände im Tauschhandel bis 1943 einen untragbaren Zustand angenommen hatten, wurde versucht, durch organisatorische Maßnahmen eine Änderung zu erreichen. Dies gelang jedoch nie vollständig, da die eingespielten Tauschwege zu vielgestaltig waren.

Das Stammlager hatte gegen Kriegsende eine Personal- und Wachtruppenstärke von rund 2.000 Personen, im Lager befanden sich ca. 60.000 Kriegsgefangene, hinzu kamen noch ca. 80.000 Gefangene und 8.000 Mann Wachtruppen, die auf Außenkommandos verteilt waren.

In Moosburg beobachtete man Ende 1944 einen anhaltenden Zustrom von Gefangenen aller Nationen. Die Lagerleitung war bis zum letzten Tage bestrebt, das Los der Gefangenen zu erleichtern. Alle kannten auch die Kolonnen des Roten Kreuzes aus der Schweiz mit ihren Liebesgaben.

Zu dieser Zeit wurde das Riesenlager voller Sorge betrachtet. Was würde mit der Stadt und ihrer deutschen Bevölkerung bei einer Auflösung des Lagers geschehen?

Gegen Ende des Krieges spitzte sich die militärische Lage mit Riesenschritten zu. Die Alliierten bedrängten bereits Österreich und Schlesien, sie kämpften in der Po-Ebene und standen am Rhein. Die Frage nach Unterbringung der Gefangenen in diesen Gebieten wurde immer dringender. Die vernünftigste Entscheidung, sie an Ort und Stelle zu belassen, wurde abgelehnt, nach- dem laut Führerbefehl kein Kriegsgefangener in die Hände des Feindes Fallen durfte. Sie wurden deshalb evakuiert, und mit der Zurückverlegung der Fronten ging es immer weiter und weiter per Bahn und zu Fuß. Im letzten Kessel, d. h. in Bayern, sammelten sich die Kriegsgefangenen. Soweit diese nicht überrollt wurden, drängte sie der verfolgende Feind nach Süden ab, und sie landeten dann in Moosburg.

Großartige Unterstützung fanden die Marschblocks der Kriegsgefangenen durch die Rote-Kreuz-Organisation in Genf. Diese stellte über hundert Lastkraftwagen zur Verfügung. Britische, kanadische und amerikanische Fahrer aus den Reihen der Kriegs- gefangenen holten diese Fahrzeuge in der Schweiz ab. Nicht einer der Fahrer benützte diese einmalige Gelegenheit zur Flucht.

Diese Lastwagenkolonnen versorgten die lagerlosen Kriegsgefangenen mit Zusatzverpflegung. Sie fuhren nach Mitteldeutsch- land, Sachsen, Böhmen, Osterreich, Württemberg, usw. Tausenden von wandernden Kriegsgefangenen wurde dadurch das Leben gerettet.

Es strömten in fast nicht abreißendem Zuge Tausende von abgehetzten Gefangenen, müde, hungernde Gestalten, dem Stalag zu. Mit Sack und Pack beladen, in Decken gehüllt, Kinderwagen und Roller als Gepäckbeförderungsmittel benutzend, kamen sie hier an. Hier fanden sie alle Unterkunft, Verpflegung und ärztliche Hilfe.

Obwohl sich die Lagerleitung gegen eine Invasion der Gefangenen aufs heftigste widersetzte, war der Unglücksmarsch nicht zu stoppen. Sie beschlagnahmte deshalb, um den Abgehetzten Schutz und Hilfe zu gewähren, Zelte für 30.000 Menschen. So glich nun das Lager einem Ameisenbau. Für nur 12.000 Gefangene errichtet, mußten nun im Lager ca. 80.000 und mehr beherbergt werden.

Riesige feindliche Flugzeugpulks kreuzten zu dieser Zeit in majestätischem Fluge über das Lager. Diese dokumentierten in über- zeugender Weise die Macht der Alliierten. Die Lagerinsassen wurden aufgerüttelt, ergriffen von der demonstrierten Stärke. Fast täglich wiederholte sich dieses Bild am Moosburger Himmel. Die Gefangenen ahnten, daß sie in einigen Wochen die Freiheit erhalten würden,

Sie hielten aus, fügten sich den Lageranweisungen, befolgten die Sicherheitsmaßnahmen und harrten in mustergültiger Disziplin der Ankunft ihrer Befreier.

Bis zum letzten Augenblick flossen die Gaben des IRK

Wenn auch besondere Wünsche nicht erfüllt werden konnten, so waren die Gefangenen Zeuge der oft ans Übermenschliche grenzenden Arbeitsleistung der Lagerführung. Es wurde erkannt, daß alle Maßnahmen nur den Zweck verfolgten, daß schwere Los der Gefangenen im Rahmen des Möglichen erträglich zu gestalten.

Natürlich gab es auch Spannungsmomente, hervorgerufen durch Propaganda und ins Lager getragene falsche Parolen. Besonders verwerflich war hierbei das Verhalten einzelner Deutscher, die Gefangene zu unerlaubten Aktionen verleiten wollten. Die Gefahr von Lageraufständen und Befreiungsversuchen lag in der Luft. Nur der inneren Disziplin und dem völkerrechtlich korrekten Verhalten der Kriegsgefangenen war es zu verdanken, wenn furchtbares Unglück verhindert wurde. Sie lehnten, wie die Lagerleitung erst nachträglich erfuhr, jede Zusammenarbeit mit den sich anbietenden Deutschen ab.


Anfang  Auflösung des Kriegsgefangenen-Lagers Stalag VII A :

Je mehr es dem Kriegsende zuging, um so häufiger und zahlreicher erschienen die feindlichen Luftgeschwader über die Stadt.

Während Landshut, Freising und Erding bombardiert wurden, blieb Moosburg verschont. Dies ist vor allem Oberst Burger zu verdanken. Er bat über das Genfer Rote Kreuz, von einer Bombardierung, schon im Hinblick auf die zahlreichen Gefangenen, Abstand zu nehmen. Bei der Zusage wurde dem Lagerkommandanten strengste Schweigepflicht auferlegt.

Die Fronten näherten sich immer mehr der Stadt Moosburg. Für die Endphase des Krieges lagen dem Kommandanten Oberst Burger folgende militärische Befehle vor:

Alle nicht zur unmittelbaren Bewachung der Kriegsgefangenen benötigten Soldaten der Wachtruppen sowie des Stalag-Personals sind der Kampftruppe einzugliedern. Die kriegsgefangenen Offiziere sind abzutransportieren.

Oberst Burger wußte, daß die Gefährdung der Kriegsgefangenen durch eine Verteidigung Moosburgs oder den Abtransport gefangener Offiziere im krassen Widerspruch zu den internationalen Konventionen stand. Er setzte sich somit sofort nach dem Erhalt des Befehls mit der Führung in Verbindung, um eine Neutralisierung Moosburgs, mit Rücksicht auf die Gefangenen und eine Erlaubnis für den Verbleib der gefangenen Offiziere im Lager zu erreichen. Das Generalkommando des Wehrkreises VII zeigte für seine Vorschläge Verständnis. Als aber der Verteidigungsabschnitt Moosburg über Nacht (Nacht zum 28.04.) von der SS-Division »Nibelungen« übernommen wurde, verlangte dessen Kommandeur die strikte Durchführung der Befehle. Man beschwichtigte den SS-Mann mit der Versicherung, daß man deren Ausführung vorbereite. Als aber der SS-Führer wieder gefahren war, versammelte Burger die kriegsgefangenen Offiziere (etwa 8.000 amerikanische, 4000 britische und 3000 russische Offiziere, darunter 200 Generäle) und teilte ihnen in Anwesenheit Major Kollers, des Chefs der Wachmannschaften (Landesschützen - Bataillion 512 mit gut 1.500 Mann) mit, daß er Moosburg nicht verteidigen und auch keine Offiziere ab- transportieren werde, sondern das Lager in aller Ordnung den Amerikanern übergeben wolle. Doch wie sollte dies erreicht werden? Burger entwickelte einen genialen Plan.

Er konnte den SS-Führer dazu überreden, als Parlamentär mit einer Schweizer Delegation, die am Vormittag im Lager eingetroffen war, zu den Amerikanern zu fahren, um eine Aussparung des Abschnittes Moosburg zu erreichen. Dadurch werde sowohl sein militärischer, Auftrag erfüllt, denn wenn er nicht angegriffen werde, brauche er auch nicht zu verteidigen, als auch den internationalen Bestimmungen Genüge geleistet'. Man fuhr also mit einer großen weißen Fahne los und zwar ein PKW der SS und ein Wagen mit einem Schweizer Delegierten und je einem amerikanischen und britischen Oberst. Burger wußte, daß der SS-Kommandeur nicht mehr zurückkommen würde, denn nach der Haager Landkriegsordnung dürfen Kommandeure der Kampftruppe als Parlamentäre, solange die Kampfhandlungen andauern, zurückbehalten werden, wovon der SS-Führer aber scheinbar keine Ahnung hatte. Gegen 18 Uhr kam der Schweizer Wagen zurück.

Die amerikanische Führung lehnte das Angebot ab, nahm aber Kenntnis von dem Übergabeangebot, das Burger durch den amerikanischen und britischen Oberst hatte übermitteln lassen und sicherte dem Personal Behandlung nach internationalem Recht zu. Das Eintreffen der Amerikaner wurde für den 29. April Mittag angekündigt. Nun galt es nur noch die SS-Division, die auf Nachricht wartete, hinzuhalten. Dies gelang auch. Major Koller bestärkte die SS durch Vortäuschung der Stärke des Batallions in dem Glauben, daß auch bei der Absage der Amerikaner Widerstand geleistet werden könne. Im Lager begann inzwischen die Vorbereitung zur Übergabe. Die deutschen Posten wurden am 29. April zurückgezogen, nachdem man mit kriegsgefangenen Offizieren die Einzelheiten der Übergabe besprochen hatte. Am 29. April mittags trafen dann schließlich die Amerikaner im Stalag ein, ohne daß es, ganz nach Oberst Burgers Plan, zu einer Verteidigung gekommen war.

Allein dem Lagerkommandanten Oberst Burger ist es zu verdanken, daß Moosburg und dem Lager eine Katastrophe erspart blieb. Unter Einsatz seines Lebens hatte er mit einem gewagten Plan für eine ordnungsgemäße Übergabe des Stalag VII A Moosburg gesorgt und damit großes Leid verhindert.

Nach der Auflösung des Lagers Stalag VII A wurde es durch die amerikanischen Militärbehörden in ein Lager für Zivilinternierte umgewandelt. 1948 wurde das gesamte Lagergelände freigegeben, wobei die Verwaltung auf das Land Bayern, bzw. später an den Bund, überging. Die neuen Bewohner warteten bereits. Es handelte sich um deutsche Heimatvertriebene, die nach harten Jahren des Leidens und Verzichtens, in Moosburg eine neue Heimat fanden.

Die Keimzelle der Moosburger »Neustadt« bildete somit das Kriegsgefangenenlager Stalag VII A.


Anfang  Zusammensetzung der Kriegsgefangenen nach Nationalitäten:

Stichtag
Frank-
reich
Groß-
britannien
Belgien
Polen
Südost-
europa
Sowjet-
union
Italien
USA
Nieder-
lande
Versch.
Nationen
Gesamt
Im
Arbeits-
einsatz
 
1.2.1941
1.5.1941
1.6.1941
1.9.1941
1.1.1942
1.6.1942
1.1.1943
1.8.1943
1.9.1943
1.1.1944
1.7.1944
1.1.1945
 
 
56.582
52.799
52.000
49.291
47.951
46.608
44.240
38.591
38.234
40.067
39.173
38.156
 
 
---
1
1
1
1.967
2.075
1.902
72
30
4.472
5.535
7.975
 
 
---
---
---
---
---
---
3
1
2
1
1
1
 
 
1.312
972
963
960
934
929
848
926
992
904
904
1.408
 
 
---
38
6.038
6.074
3.680
3.653
3.306
3.176
2.969
4.923
5.999
5.852
 
 
---
---
---
4.003
4.620
9.188
15.472
16.009
15.071
13.101
12.384
14.300
 
 
---
---
---
---
---
---
---
---
---
10.422
11.385
1.540
 
 
---
---
---
---
---
---
---
845
1.494
200
1.584
5.767
 
 
---
---
---
---
---
---
---
---
---
6
---
---
 
 
---
---
---
---
---
---
---
---
---
---
237
1.163
 
 
57.574
53.810
59.002
62.295
59.169
62.453
65.771
59.620
58.720
74.096
77.202
76.248
 
 
47.391
47.668
52.572
52.217
53.301
54.134
57.325
51.013
48.361
54.932
60.289
 
 
 
Quellen:
Bundesarchiv-Militärarchiv, Wiesentalstr. 10, D-79115 Freiburg/Br., Tel. 0761-47817-0
Roland Zimmer

Anfang Bilder:


Anfang  Quelle:

Bürgernetz Moosburg Online Stalag VII A EnglishFrançaisRussisch
Text: Ludwig Weh - Zuletzt bearbeitet am 13.2.2005 vom © WebTeam Moosburg (E-Mail) - Es gilt das Urheberrecht!