Internierungslager: Die Evangelische Lagergemeinde |
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Christus unter Interniertenvon Dr. Klaus von EickstedtRandexistenzenDie Frage, was noch zu tun wäre, daß unsere Gemeinde möglichst lebendig blieb, bewegte uns ständig. Vor allem lag uns ja daran, die sogenannten „Randexistenzen“ immer noch stärker in das Kraftfeld christlicher Verkündigung hineinzuziehen. Wir glaubten das dadurch zu erreichen, daß wir etwa alle 14 Tage besondere Veranstaltungen „im kulturellen Gewande“ durch schöne von Künstlerhand gefertigte, auf das Thema bildlich bezogene Plakate ankündigten. Solche „Gemeindenachmittage“ oder „Gemeindeabende“ wurden von musikalischen Darbietungen unseres Kirchenchores und des Kammerquartetts umrahmt. In die Mitte wurde ein Vortrag gestellt, von dem man erwarten konnte, daß er einen weiteren Hörerkreis interessieren würde. So wurde das Leben und Wirken bekannter Persönlichkeiten behandelt, z.B. „Wilhelm Löhe“ (Dörfler), „Albert Schweitzer als Arzt, Missionar und Bach-Forscher“ (Dr. Stute), „Martin Niemöller“ (von Eickstedt), (mit diesem Vortrag hatte es eine besondere Bewandtnis, wovon noch später in anderem Zusammenhang zu sprechen sein wird). Neben solchen Schilderungen wurden auf gegebene Situationen abgestellte Referate in die Mitte solcher Veranstaltungen gestellt, z.B. im Hinblick auf die Zukunft des deutschen Ostens: „Die evangelische Kirche im deutschen Osten“ (P. Rott - von Eickstedt) oder angeregt durch den „Berliner Kirchentag“, „Die sieben Forderungen der evangelischen Kirche“ (Wolff - von Eickstedt) oder während der Passionszeit: „Die Passion in der deutschen Kunst“ (Schmalz, Vortrag mehrmals wiederholt), am Karfreitag: „Der Tod Jesu“ (Rott). Ein Höhepunkt dieser Veranstaltungen bildete die Feier zum Gedächtnis des 400. Todestages Martin Luthers mit dem Vortrag unseres Pfarrers Rott über „Luthers Vermächtnis“. Neben der vom Kirchenchor und dem Kammerquartett dargebrachten zeitgenössischen Musik las ein Sprecher der Gemeinde „Lutherworte“, die wir aus einem kleinen, für das Feld bestimmten Büchlein „Gedanken sind Kräfte“ von March entnommen hatten. Kopf an Kopf lauschte die nach Tausenden zählende Zuhörerschaft in atemloser Spannung den Worten Rott’s, mit denen er das Vermächtnis Luthers behandelte und vor uns entfaltete. Die unmittelbare Folge dieser Feier war, daß zahlreiche Kameraden den Wunsch äußerten, noch mehr von Luther und der Reformation zu hören. So kam es ganz von selbst, daß im Lager zwischen kirchlicher Verkündigung und kulturellem Leben eine immer enger werdende Wechselbeziehung Platz griff. Das war sehr bedeutungsvoll! Und es wäre schön, wenn eine solche Wechselbeziehung auch draußen im Lande zwischen unseren Gemeinden und dem kulturellen Leben gepflegt würde. Folgender Hinweis sei hier erlaubt: Anfangs wurde im Lager die Befürchtung laut, daß der intensive Hochschulbetrieb dem kirchlichen Leben Abbruch tun würde. Diese Befürchtung bewahrheitete sich keinesfalls, vielmehr war es so, daß sich beides gegenseitig befruchtete. Ja, man erlebte schließlich in unserem Lager, daß "„Kirche und Kultur"“ zusammengehörten, allerdings erst in dem Maße, als die christliche Grundhaltung bei Behandlung der verschiedensten Gebiete wirklich in Erscheinung trat. Wurde bei dem Vortragenden seine christliche Haltung deutlich, oder legte er gar ein offenes Bekenntnis ab, so hatte ein solches Bekenntnis oft eine größere missionarische Wirkung als die Wortverkündung im engeren Sinne. Dazu gehörte, daß diese Männer, die als Wissenschaftler, Hochschullehrer, Ärzte etwas darstellten, nicht nur sonntags zum Gottesdienste, sondern morgens auch zu den Andachten kamen. Ein solches Beispiel wirkte! Hinzu kam, daß es der Leitung unserer Gemeinde von vorneherein klar war, daß es zu ihrer Aufgabe und Pflicht gehöre, sich von kirchlicher Seite mit der geistigen Lage der Gegenwart auseinanderzusetzen. Hätte unsere Gemeinde im Winkel gestanden, so wäre sie bald in die Verteidigung gerückt, so aber war sie bemüht, Lehre und modernes Weltbild in Übereinstimmung zu bringen, nicht etwa im Sinne eines verflachenden „Kulturprotestantismus“ unseligen Angedenkens, sondern in klarer, geistiger Auseinandersetzung auf dem Boden des Evangeliums. Im Zuge solcher Bestrebungen fanden im Rahmen der allgemeinen Hochschularbeit folgende Vorträge mit ausgesprochen christlicher Grundhaltung statt: „Hat Christus gelebt?“ (Prof. Dolch). Dieser Vortrag war eine Fortsetzung seiner Vortragsfolge über die Geschichte der Philosophie. Die von ihm angekündigte Vortragsreihe über Nicolai Berdjajew mußte wegen seiner Entlassung aus dem Lager leider abgesetzt werden. Andere Vorträge: „Die Entstehung der Kirche“ und „Geschichte der Reformation“. Sie wurden von Prof. Weigel neben seinen Vorlesungen über mittelalterliche Geschichte gehalten. Ferner: „Luther und die Geschichte der Reformation“ (Dr. Wiesner). Ferner: „Prähistoria zum Christentum“ von Doz. Dr. Hermann, außerdem hielt er Vorträge über „Gottesbegriff und Gottesvorstellung der alten Ägypter“ und über „Ägyptische Kulturgeschichte“. Von katholischer Seite lieferte wertvolle Beiträge Prof. Stippberger mit 20 Vorträgen über große „Papstgestalten“, über „Wesen des Christentums“ und „Die Ostkirche“. Schließlich sei noch, um auch daran die Vielseitigkeit des Gemeindelebens zu zeigen, die jeden Freitag abgehaltene „Kirchenstunde“ erwähnt. Sie hatte den Zweck, alle interessanten kirchlichen Nachrichten, die durch Radio verbreitet oder aus der Presse gesammelt waren, zusammenfassend bekanntzugeben und zu kommentieren. Das geschah durch die Mitglieder des Kirchenrates Dr. Malbeck und Dr. Stute. |
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